Novellen Erste Sammlung

Paul Heyse

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Belletristik / Gegenwartsliteratur (ab 1945)

Beschreibung

Auszug: "Am offnen Fenster, das auf den kleinen Blumengarten hinausging, stand die blinde Tochter des Dorfküsters und erquickte sich am Winde, der über ihr heißes Gesicht flog. Die zarte halbwüchsige Gestalt zitterte, die kalten Händchen lagen in einander auf dem Fenstersims. Die Sonne war schon hinab und die Nachtblumen fingen an zu duften. Tiefer im Zimmer saß ein blinder Knabe auf einem Schemelchen an dem alten Spinett und spielte unruhige Melodieen. Er mochte fünfzehn Jahr alt sein und nur etwa um ein Jahr älter als das Mädchen. Wer ihn gehört und gesehen hätte, wie er die großen offnen Augen bald emporwandte, bald das Haupt nach dem Fenster neigte, hätte sein Gebrechen wohl nicht geahnt. So viel Sicherheit, ja Ungestüm lag in seinen Bewegungen. Plötzlich brach er ab, mitten in einem geistlichen Liede, das er nach eignem Sinne verwildert zu haben schien. »Du hast geseufzt, Marlene?« fragte er mit umgewandtem Gesicht. »Ich nicht, Clemens. Warum sollt'' ich seufzen? Ich schrak nur zusammen, wie der Wind auf einmal so heftig hereinfuhr.« »Du hast doch geseufzt. Meinst du, ich hörte es nicht, wenn ich spiele? Und ich fühl'' es auch bis hierher, wenn du zitterst. »Ja, es ist kalt geworden.« »Du betrügst mich nicht. Wenn dir kalt wäre, stündest du nicht am Fenster. Ich weiß aber, warum du seufzest und zitterst. Weil der Arzt morgen kommt und uns mit Nadeln in die Augen stechen will, darum fürchtest du dich. Und er hat doch gesagt, wie bald Alles geschehen sei, und daß es nur thue wie ein Mückenstich. Warst du nicht sonst tapfer und geduldig, und wenn ich als Kind schrie, so oft mir was weh that, hat dich meine Mutter mir nicht immer zum Muster aufgestellt, obwohl du nur ein Mädchen bist? Und nun weißt du dich nicht auf deinen Muth zu besinnen, und denkst gar nicht an das Glück, das wir hernach zu hoffen haben?«"

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